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Ein erster Überblick

 

 Es gibt nur wenige Lernkonzepte, die bisher so intensiv erforscht wurden wie das Kooperative Lernen: Es ist eine wissenschaftlich nachweisbare effektive Form der schüleraktivierenden und konstruktivistischen Unterrichtsgestaltung. Auf der Basis einer sicheren Lernatmosphäre werden durch gut strukturierte Lernprozesse in leistungsheterogenen Paaren oder Gruppen intensive und produktive Lernprozesse auf höheren Lernebenen realisiert: Kooperative Lernarrangements sind so angelegt, dass die Gruppe zu komplexeren Ergebnissen gelangt als ein Individuum.

 

Ein integratives Konzept

 

Die Wirksamkeit des Kooperativen Lernens geht weit über die Aneignung diverser Methoden hinaus: Integrativ werden sowohl soziale, methodische und kommunikative als auch fachliche Kompetenzen vermittelt. Wenn man Schülerinnen und Schüler in Gruppen zusammensetzt, ergibt sich nicht automatisch eine intensive Kooperation. Vielmehr müssen die gruppendynamischen Prozesse so gestaltet werden, dass die Teammitglieder ihre Zusammenarbeit als produktiv erleben. Oft wird bspw. das Kooperative Lernen irrtümlicherweise mit dem weithin bekannten Gruppen-Puzzle gleichgesetzt: Dabei wird übersehen, dass diese Methode sehr komplex ist und nur funktioniert, wenn die Schülerinnen und Schüler bereits über entsprechende soziale, methodische und kommunikative Kompetenzen verfügen.

 

Think Big – Start Small

 

Eine sinnvolle Umsetzung des Kooperativen Lernens zeichnet sich gegen alle Formen von überhastetem Einsatz von Gruppenarbeit durch einen Prozesscharakter aus: In vielen kleinen Schritten werden die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler aufgebaut. Was zwei Schülerinnen und Schüler gemeinsam nicht leisten können, können sie erst recht nicht in der noch weitaus komplexeren Sozialform der Gruppenarbeit erreichen. Im längerfristig angelegten Lernprozess findet ebenfalls eine langsame Steigerung der Komplexität der Methoden statt. In diesem Sinne ist auch das von Norm Green oft formulierte „Think big – start small“ zu verstehen. Deshalb ist im Kooperativen Lernen die intensive Einzelarbeit, in der die individuelle Verantwortlichkeit für den Lernprozess zum Tragen kommt, die Basis für eine gut funktionierende Partnerarbeit. Als ausgesprochen funktional haben sich aus diesem Grund die vielen Varianten des Think-Pair-Share erwiesen. Mittlerweile ist deutlich geworden, dass dieses Think-Pair-Share nicht nur eine unter vielen Methoden ist, sondern vielmehr die Grundstruktur kooperativer Prozesse abbildet.

 

Pädagogische Prinzipien

 

Im Zentrum des Kooperativen Lernens stehen eben nicht die Methoden sondern die Fokussierung auf zentrale pädagogisch-psychologische Grundlagen. Gute Teamarbeit ist deshalb vorrangig das Ergebnis einer erfahrenen positiven gegenseitigen Abhängigkeit und der Übernahme einer individuellen Verantwortlichkeit sowohl für den eigenen Lernprozess als auch den Arbeitsprozess der Gruppe und das gemeinsame Arbeitsergebnis. Wichtig sind ebenfalls der Erwerb sozialer Kompetenzen im Lernprozess, die für die Arbeit im Team notwendig sind, die häufige Reflexion von Lernprozessen durch die Lernenden im Sinne einer permanenten Optimierung von Lernprozessen  und die direkte (face-to-face) Interaktion der am Gruppenprozess beteiligten Teammitglieder. Das Kooperative Lernen entspricht einer Haltung im Sinne eines veränderten Lernverständnisses: Schülerinnen und Schüler sind ebenso lebenslange Lerner wie die Lehrkräfte.

 

Demokratische Schulentwicklung

 

Über die Unterrichtsentwicklung hinaus gibt eine nachhaltige Implementierung des Kooperativen Lernens mit der veränderten Lehrerrolle, der Stärkung der Zusammenarbeit im Kollegium und der Entwicklung von Teamstrukturen auch wichtige Impulse für die Schulentwicklung und trägt damit wesentlich zum Aufbau von Schulen als demokratische professionelle Lerngemeinschaften bei. Ebenso leistet das Kooperative Lernen einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Demokratie: Die intensive Kommunikation in Klein- und Großgruppen, der respektvolle Umgang der Teammitglieder miteinander, die Toleranz gegenüber anders denkenden Menschen und gegenüber Menschen aus anderen Kulturen, die Notwendigkeit Kompromisse zu schließen, dies alles sind wichtige demokratische Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler nicht abstrakt lernen, sondern im Gruppenprozess erfahren.

  Thomas Kremers